18. April 2015

Am Blauen See


Vor drei Tagen waren wir am Blauen See. Als ich einen steilen Abhang hochkletterte, sah ich, wie schön der Wald mit dem leichten Grün zwischen den Schluchten und kleinen Wegen und Abhängen aussah. Vor drei Tagen hatte ich keine Zeit zum Fotografieren, also habe ich mich heute Morgen nochmal auf den Weg gemacht. Bei blauem Himmel und Sonnenschein. In den nächsten Tagen wird das wiederholt – dann aber nachmittags, damit die Sonne auf der anderen Seite steht.

Spiegelung im See – bei blauem Himmel ist der See seinem Namen entsprechend blau
Nelli ist den Abhang hochgeklettert – ihre Schleppe ist bei den vielen Bäumen und Geäst etwas hinderlich
Die Prinzessin wartete auf uns
Nelli sieht gut gelaunt aus
Auf dem Rückweg treffen wir Barney
Gestern waren wir mit Diego auf dem Schmugglerpfad

6. April 2015

Etwas war geschehen

Vor einiger Zeit las ich in einem Artikel, dass Trauer – im Gegensatz zur Depression – auch immer etwas mit einem Fest oder einer Feier zu tun hat. Indem man über den Verlust eines Menschen, eines Lebewesens, aber auch einer Sache oder einer Zeit trauert, zeigt man gleichzeitig, wie stark man diesen Menschen, dieses Tier, den Gegenstand oder das Erlebte wertschätzt – mit der Trauer feiert man gleichzeitig das Gewesene.

Ebenfalls vor einiger Zeit, ich glaube, es ist noch keine drei oder vier Wochen her, war ich in dem kleinen Theaterstück Ente, Tod und Tulpe, das auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Wolf Erlbruch basiert. Der Tod begleitet jeden von Anfang an. Erst sieht man ihn nicht, irgendwann kommt das erste Erkennen, dass er neben einem geht, ein ständiger Begleiter ist. Wenn man jung ist, fordert man ihn manchmal heraus, weil man sich stark fühlt. Wenn man älter wird, möchte man in seinem Leben noch etwas anderes machen, als das, was man immer gemacht hat: die Zeit, die einem im Leben noch bleibt, nutzen, als könne man sie dadurch aufhalten. Und dann kommt der Tag, an dem der Tod auch ein Trost sein kann.

»Zarter Schnee schwebte in der Luft. Etwas war geschehen.
Der Tod schaute die Ente an. Sie atmete nicht mehr. Sie lag ganz still.«

Ebenfalls von Wolf Erlbruch in dem Buch Die große Frage (nämlich die nach dem Sinn des Lebens) steht auf einer Seite:

Sagt der Tod: 
»Du bist auf der Welt, um das Leben zu lieben.«

und auf einer anderen:

Sagt der Hund:
»Ich glaube, man ist zum Bellen auf der Welt – und zeitweise, um den Mond anzuheulen«

Mark Rowlands schreibt in seinem Buch Der Philosoph und der Wolf:
Die Zeit der Wölfe ist, wie ich vermute, ein Kreis, keine Linie. Jeder Moment ihres Lebens ist in sich vollständig. Und Glück liegt für sie in der ewigen Wiederkunft des Gleichen. Wenn die Zeit ein Kreis ist, gibt es kein Nimmermehr. Und dementsprechend ist die Existenz nicht auf die Vision des Lebens als Abwicklung von Verlust ausgerichtet. Die Regelmäßigkeit und Wiederholung, die unser Leben in Brenins letztem Jahr kennzeichneten, ermöglichteten mir einen flüchtigen und verschwommenen Blick auf die ewige Wiederkunft des Gleichen. Und wo kein Gefühl des Nimmermehr ist, fehlt auch ein Gefühl des Verlustes. Für einen Wolf oder Hund ist der Tod wirklich das Ende eines Lebens. Und aus diesem Grund hat der Tod keine Macht über sie. Das bedeutet es, wie ich glaube, ein Wolf oder Hund zu sein.
 * * *

Ich bin kein Hund oder Wolf, für mich gibt es ein Nimmermehr. Ich gehe einen Weg und denke: Als ich ihn das letzte Mal ging, war Marek noch dabei. Ich werde noch viele Wege in den nächsten Wochen und Monaten ablaufen müssen, damit es keinen Weg mehr gibt, bei dem ich das noch denke. Und ich werde die Jahreszeiten durchleben müssen, und mit ihnen diese Gedanken: Als das letzte Mal der Löwenzahn blühte, bin ich mit Marek über diese Wiese gelaufen. Am letzten Neujahrstag war er mit dabei, als wir zum Dörnberg gingen. Jedesmal fehlt er mir und jedesmal feiere ich ihn, weil er so lange bei mir war. Wir sind bestimmt über 30.000 Kilometer zusammen gelaufen. Da dürfen (oder müssen?!) die ersten Kilometer ohne ihn schmerzhaft sein – und die Gedanken an die gewesene Zeit.

[ Das Foto oben stammt aus dem ersten Winter, an dem Lourdes zu uns kam – Januar oder Februar 2010. ]