10. Mai 2018

_18_2018: Antwort


Wir, die Erwachsenen weltweit, hätten mit aller Kraft und Macht auf die Bremse steigen müssen, aber wir sind weiter gut gelaunt und ignorant Vollgas mit unseren Verbrennungsmotoren gegen die Wand gefahren.

[ aus dem Süddeutschen Zeitung Magazin vom 14. Juli 2017 | Urlaub war uns wichtiger als eure Zukunft, sorry ]

Vor ein paar Tagen hatte ich auf Facebook einen älteren Artikel aus der SZ geteilt, den ich bei einer meiner »Facebook-Freundinnen« gesehen hatte. Irgendwie hatte er meinen Nerv getroffen und entgegen meiner sonstigen Einstellung, mich nicht in den Facebook-Betroffenheitsreigen einzureihen, machte ich hier eine Ausnahme und dachte, dass der Inhalt von allen Menschen gelesen gehört. Hier ist der Link: Urlaub war uns wichtiger als eure Zukunft, sorry

Ein paar meiner Freund*innen haben reagiert. Und haben ihre Gedanken, ihren Frust aber auch ihre Ideen geschrieben. Weil ich das Thema zu komplex finde, habe ich nicht auf Facebook geantwortet, sondern schreibe hier nun ein paar meiner Gedanken auf.

Achtung: Jetzt kommt jede Menge Betroffenheit, Moral und Kitsch.

Wie können wir auf die Bremse treten? Na, in erster Linie durch Verzicht.
Wenn ich irgendwann mal weiß, dass ich in einigen Stunden, Tagen, Wochen sterben muss, und ich das Glück habe, dass mein Geist noch mitspielt, werde ich mir zwei Fragen stellen: Habe ich gut gelebt und die mir geschenkte Lebenszeit genutzt? – Und wahrscheinlich auch: Was hinterlasse ich der Welt aus meinem Leben, im Guten wie im Schlechten?

Wenn ich glaube, dass nach meinem Tod alles vorbei ist, nichts mehr da ist, nada, gar nichts, dann wird vielleicht die erste Frage die wichtigere sein. Hey, das Leben auskosten auf Teufel-komm-raus. Abenteuer erleben, reisen, feiern, es mir gut gehen lassen. Gibt es nicht den Spruch: Man soll am Ende seines Lebens nicht bereuen, was man getan hat, sondern das, was man nicht getan hat?! Wenn nicht jetzt, wann dann?! Wir haben nur dieses eine Leben.
Wenn ich glaube, dass da doch noch was ist, irgendwas – die einen nennen es einen Richter, die anderen Karma – oder der Glaube, dass alles was ich jetzt tue auch einen Einfluss auf das haben wird, was nach dem Tod passiert, wird evtl. die zweite Frage die entscheidenere sein.

Aber es geht auch gar nicht um diese Fragen am Ende des Lebens, sondern um einen Standpunkt: Ich möchte den nachfolgenden Generationen eine Erde überlassen, die ich für lebenswert erachte. Das war ja Inhalt des Artikels in der SZ. Und es geht auch gar nicht allein darum, was erst in fünf, zehn, dreißig, hundert Jahren ist, es geht darum, was jetzt ist. Denn auch ohne dass wir gegen die Wand gefahren sind, vielleicht gar nichts mehr geht, auch bei uns nicht mehr, müssen schon jetzt unter unserem guten Leben andere leiden – sehr viele Menschen, und nicht zu vergessen: ohne Ende Tiere ...

Jeder von uns wird mehr oder weniger bereit sein, auf Dinge zu verzichten, die dazu beitragen, dass wir die Erde mit Vollgas gegen die Wand brettern. Verzicht auf Reisen, auf Konsum, auf tägliches Fleisch, auf Wohnraum, auf Fahrten mit dem Auto ... auf vieles, aber nicht auf alles! Jeder wird andere Prioritäten setzen. Bei dem einen Punkt sagen, okay, darauf müssen wir verzichten, darauf kann ich verzichten; aber bei einem anderen Punkt wird es schwieriger werden, weil der für uns unbedingt zu einem guten Leben dazugehört. Wir treten also nicht auf die Bremse, wir gehen höchstens ein bisschen vom Gas herunter.

Aber warum ist das so? Ich glaube, weil wir die falschen Bilder im Kopf haben. Wir sehen unglaubliche Wohnungen, super Autos, wir bewundern die Fotos von den Reisen unserer Freunde. Und klar bin ich neidisch. Auf das gute Leben, das andere führen. Ich will das auch haben! Alles!

Aber warum sehen wir den Luxus eines guten Lebens nicht endlich mal anders? Der Sinn von großen Gärten, anstatt von großen Wohnungen. Der gute Geschmack von regionalem, saisonalem Obst und Gemüse, anstatt von exotischen Delikatessen. Das Glück Zeit zu haben, zu Fuß zum Markt zu gehen, anstatt zum Supermarkt zu hetzen. Der Duft von frisch gebackenem Apfelkuchen nach einem Regenspaziergang, anstatt FastFood nach einer Shopping-Tour. Der Reichtum von Wissen anstatt von hirnloser Berieselung. Das gute Gefühl von einem täglich freundlichen entspannten Umgang miteinander, anstatt fünfundvierzig Wochen Zeitnot und Arbeit und sieben Wochen Urlaub(sstress).

Ich denke, wir müssen in unseren Köpfen (und auf Instagram) die Bilder ändern, von dem, was wir für erstrebenwert halten. Dann tut der Verzicht auf das, was wir bisher für »das gute Leben« hielten, nicht (so) weh. Vielleicht müssen wir einen »Ersatz« finden, für vieles, was heute unsere Wohlstandsgesellschaft ausmacht. Und im besten Fall einen Ersatz, der uns und der Erde gut tut.

So, genug gesülzt. Das passiert so schnell nicht wieder. Versprochen.

Und nun die Bilder aus der 18. Woche: